Sind Zweinutzungsrassen die Zukunft der Geflügelwirtschaft? (Teil 2)

Zweinutzungsrassen sind ein Mittelweg zwischen Mast- und Legelinien. Einerseits können die Hähne gemästet werden, andererseits legen die Hennen deutlich mehr Eier als die Hennen der reinen Mastlinien. Das wäre zu schön, um wahr zu sein? Eben das ist der Grund, weshalb nicht bereits heute flächendeckend Zweinutzungsrassen eingesetzt werden. Die Züchtung von neuen Rassen verläuft nicht immer wie gewünscht und es gibt Grenzen, innerhalb deren man hantieren muss. Es gibt positive Korrelationen – z.B. könnte eine bessere Calciumaufnahmekapazität die Eiqualität verbessern (da Calcium maßgeblich für die Bildung und Stabilität der Eischale nötig ist) – aber leider häufiger negative Korrelationen.

Ein sehr schnelles Wachstum korreliert mit einer geringeren Vitalität – daher können die heutigen Broiler weder auf einer Stange sitzen noch überhaupt hinauf gelangen (und daher gibt es solche auch nicht in Mastbetrieben). Und eine größere Masse und schnelleres Wachstum korreliert leider auch mit einer geringeren Legeleistung (die Energie wird in Wachstum gesteckt und nicht in die Eiproduktion), was auch logisch ist, wenn man sich überlegt, dass die Hühner nicht unentwegt fressen können und selbst wenn sie es könnten andere Gründe dies unmöglich machen.

Zum Beispiel kann die Selektion auf Wachstum und (Brust-)muskelbildung zu einem kleineren (oder nicht mit dem schnelleren Wachstum mithaltenden) Verdauungstrakt führen, wodurch die Verdauungsgeschwindigkeit und damit die maximal verwertbare Menge an Futter (Energie) begrenzt ist.

 

Schlachtkörper von 70 Tage alten Hähnen einer Legelinie (links), einer Doppelnutzungslinie (mitte) und eines langsam wachsenden Broilers (rechts).
Schlachtkörper von 70 Tage alten Hähnen einer Legelinie (links), einer Doppelnutzungslinie (mitte) und eines langsam wachsenden Broilers (rechts).

Eine Zweinutzungshenne legt daher rund 40 Eier weniger (14 %), braucht aber für die Produktion eines Eis 25 % mehr Futter. Ökonomisch gesehen wäre dies nun eigentlich kein Argument gegen diese Rassen, da dies auf ein Ei umgerechnet lediglich rund 2 Cent ausmacht. Der Hahn der Zweinutzungsrasse wächst langsamer als ein Broiler, er benötigt mehr Futter pro kg Massenzuwachs, außerdem ist prozentual etwas weniger Fleisch verwertbar und, was für den aktuellen deutschen Markt sehr wichtig ist, der Brustanteil liegt mit 17 % deutlich unter dem eines Broilers (23 %). Das Problem ist daher vielmehr, dass die Hähne der Zweinutzungsrassen deutlich teurer sind und dabei eine geringere Qualität aufweisen als der Verbraucher es gewohnt ist.

Vergleich der Schlachtleistung eines Broilers und eines Doppel- nutzungshahnes nach 56 Tagen Aufzucht.
Vergleich der Schlachtleistung eines Broilers und eines Doppel- nutzungshahnes nach 56 Tagen Aufzucht.

Aber selbst, wenn man alle diese Punkte außer Acht lässt und davon ausgeht, dass wir unser Essverhalten dahingehend ändern, dass wir höhere Preise akzeptieren und das ganze Huhn (und nicht nur die Brust) verwerten, so gibt es auch einen ökologischen Aspekt. Denn durch die schlechtere Futterverwertung wird bei gleicher Hühnerzahl deutlich mehr Futter benötigt als vorher. Eine Lösung hierfür wäre es, einfach ein bisschen weniger Fleisch zu essen und die Produktion insgesamt in einem gewissen Maße herunterzuschrauben. Man hätte dann vielleicht bei gleichem Futtermittelverbrauch eine geringere Fleischproduktion, diese würde aber mehr Wertgeschätzt werden.

 

 

Ob Zweinutzungsrassen aber die Zukunft sind, ist aktuell eher ungewiss. Einige Landwirte haben Zweinutzungsrassen bei sich eingeführt. Die meisten mussten aber feststellen, dass der Verbraucher viel fordert – wenn es dann ans Portemonnaies geht, aber doch lieber auf die günstigeren Alternativen umsteigt. Auch andere Varianten, z.B. dass durch ein Steigen der Eierpreise die Hähne quasi quersubventioniert werden, sind bisher nicht von Erfolg gekrönt, vielleicht auch, weil der Verbraucher es nicht akzeptiert, einerseits für die Eier deutlich mehr zu bezahlen und andererseits für den subventionierten Hahn, der eine geringere Qualität hat, trotzdem noch mehr zu bezahlen als für einen Broiler.

 

 

Auch die in-ovo-Geschlechtsbestimmung allein ist nicht das Allheilmittel, da die gesundheitlichen Probleme, die mit der Züchtung hochspezialisierter Rassen auftraten und heute verbreitet sind (z.B. ein zu geringes Knochenwachstum durch zu schnelles Wachstum), weiterhin auftreten werden. Während früher nur wenige Selektionsmerkmale beachtet wurden, sind es heute nicht nur deutlich mehr, sie sind auch miteinander korreliert, sodass enge Grenzen gesetzt sind und die Kontrolle sehr schwer ist.

 

 

 

Den Rassegeflügelhalter persönlich betrifft derlei Diskussion dagegen nicht direkt. Er hält seine Hühner nicht (vorzugsweise) der Eier oder des Fleisches wegen, wobei er natürlich gerne überschüssige Eier und nicht zu vermittelnde Hähne verwertet. Hierbei spielt dann die Futterverwertung meist eher eine untergeordnete Rolle. Der Hobbygeflügelhalter oder auch der Selbstversorger überlegt sich dagegen schon, welche Rasse er wählt und wird eher auf Zweinutzungsrassen einsteigen, da diese ihm bei vergleichsweise geringem Aufwand sowohl Eier als auch Fleisch liefern.